Italien-Apulien

Italien hat uns wieder. Nach einem 24 Stunden-Törn und 126 sm mit idealen Windbedingungen, 10 -20 Knoten aus West, moderater Welle und wenig Krängung trotz voller Besegelung, lassen wir den Anker im Vorhafen hinter dem Wellenbrecher in Trani/Apulien fallen. Wir liegen zwar etwas zu weit in der Einfahrt, aber erst mal holen wir etwas Schlaf nach. An die Nachttörns mit Wachegehen im 3 Stundenrythmus müssen wir uns erst noch gewöhnen. Mit einem guten Buch verkürzen sich die Stunden in der Dunkelheit der Nacht. Passend zum Beginn unserer Reise hatte ich das Buch „Die Entdeckung der Langsamkeit „ von Sten Nadolny begonnen. Das Buch war die richtige Einstimmung für unsere Reise, eine entscheidender Satz lautete: „Seefahrt ist lernbar!“ Und das wollen wir in den nächsten Jahren tun.  Vielen Dank, liebe Birgit Rischawy,  für dieses herrliche Buch.

 

Wer kennt schon Apulien, das Herz des Mittelmeers, Brücke nach Osten und Kreuzweg im Strom der zahlreichen Kulturen des Mittelmeerraums. Wir können leider nur wenige Orte besuchen. Wie ein riesiges gestrandetes Schiff erhebt sich am Meer weiß und feierlich die im 11. Jahrhundert erbaute Kathedrale der Staufferstadt Trani.

 

Blick auf die Kathedrale von Trani

 

Von Trani fahren wir mit dem Bus vorbei an Obstplantagen nach Andria. Als kaiserliche Krone auf einem Hügel der Murge erhebt sich in der Nähe von Andria das rätselhafte, malerische Castel del Monte, das von Kaiser Friedrich II. von Hohenstauffen erbaut wurde. Alles darin bezieht sich irgendwie auf die Zahl 8: achteckig ist die Form, acht Türme rahmen es ein, acht Zimmer bilden sowohl die erste als auch die zweite Etage. 

 

Castel del Monte

 

In Brindisi, dem quirlig-geschäftigen großen Umschlaghafen nach Osten legen wir direkt unter dem riesigen Kriegerdenkmal des 2. Weltkriegs an der Kaimauer an. Nachdem ich dann auch noch Wäsche zum Trocknen aufhänge, hatte die Guardia Costiera damit ein Problem und verscheucht uns auf die andere Seite des Hafenbeckens zu den Fischerbooten.

Nach einem herrlich ruhigen Segeltag bei 5-10 Knoten Wind und wenig Welle zieht uns der Blister mit 6-7 Knoten Fahrt die 30 Seemeilen nach Otranto, dem für die nächsten Jahre östlichsten Punkt unserer Reise. Wir begrüßen unsere langjährigen Troli-Bodensee-Segelkameraden/in Manne und Siegi, die mit ihrer SY Tiffany auf dem Weg nach Kroatien auf uns gewartet haben. Nach der Stadtbesichtigung, lateinische Basilika mit weitläufigem Bodenmosaik aus dem 12. Jahrhundert, byzantinische Kapelle, Höhlenwohnungen und Markt mit wunderbarem preiswerten Obst und Gemüse, feiern wir das Wiedersehen mit einem Grillabend an Bord. Es gibt viel zu erzählen und Erfahrungen auszutauschen. Ein Abend wie am Bodensee und genau so spät wie dort wird es auch wieder. Zwischenstopp in Santa Maria de Leucca, am Stiefelabsatz von Apulien. Es gäbe noch so vieles in dieser reizvollen Regione Puglia anzuschauen, aber das müssen wir für eine Reise auf dem Landweg für später aufheben.

 

 

 

Leuchtturm von Otranto

Leuchturm am Ausgang der Straße von Otranto, für die nächste Zeit der östlichste Punkt unserer Reise

 

 

 

 

 

Von jetzt an geht’s westwärts. Roccella Ionica in Calabrien, eine Marina deren Einfahrt immer wieder versandet, jetzt aber wieder befahrbar ist, wollen wir direkt ansteuern. Aber entgegen den Wettervorhersagen sind Wind und Welle gegen uns und wir bekommen das 1. Mal richtig eins auf die Mütze. Aus dem smoothy 3-4 Bf Wind aus Südost, den Rolf von Intermar uns vorhergesagt hatte, ist am Abend des 19.7. ein Nordwest mit 7-8 Bf geworden und die Welle trifft uns mit ihren 2 – 2,5 m voll auf die Breitseite, was den Törn nicht gerade angenehm macht. Dann fällt plötzlich die Windstärkenanzeige aus. Ein Blick zum Masttop, na prima, das Windschaufelrädchen der Windmessanlage hat uns für immer verlassen. So beginnt die unendliche Geschichte eines kleinen Schaufelrädchens, aber dazu später mehr. Immerhin können wir noch die Windrichtung ablesen und außerdem fängt unser Windgenerator bei 10 Knoten = 3 Bf auch immer an zu arbeiten. In den Anfängen der Seefahrt hatte man ja auch keine Windmessanlage und dass wir richtig viel Wind haben, merken wir ja sowieso. Die Nacht wird zum Teufelsritt, Crotone im Golf von Tarent, liegt querab. Bei Nacht wollen wir den Hafen aber nicht ansteuern. Also etwas weiter abfallen ins Ionische Meer, um überhaupt noch vorwärts zu kommen müssen wir Kurs Kreta anhalten. Na, wenn wir so weitersegeln sind wir bald in Griechenland! Wir schieben immer mehr Lage und die kleinen unerledigten Baustellen an Bord melden sich lautstark mit Getöse. Doch auch auf die unruhigste Nacht folgt ein Morgen mit Sonnenaufgang, Zeit um mit einem Kaffee die Lebensgeister wieder zu wecken. Während ich noch etwas schlafe, will Helmut schon mal einen Kaffee aufbrühen. Ein Schrei von ihm reißt mich aus der Koje. Bei dem elenden Geschaukel im Boot hat er sich mit dem kochend heißen Wasser den linken Fuß verbrüht. Die Schmerzen sind höllisch. Es hilft nur kühlen, kühlen, kühlen und noch mal kühlen. In seiner Not opfert er eine eiskalte Dose Bier und macht mit einem verschliesbarem Plastikbeutel eine Kühlkompresse daraus. Jetzt müssten wir Eiswürfel haben, sonst geht das ganze gekühlte Bier für Kühl-Kompressen drauf. Aber woher Eis nehmen, wir sind noch, wenn’s gut geht, 5 Motorstunden von Roccella entfernt.

 

 

Die Rettung ist das Frigoboot-Kühl-Element im Kühlschrank, das sich im Laufe der Wochen zu einem Eisklotz verwandelt hat. Das Eis in Stücken abgeklopft reicht für 4 Std. zum Kühlen und hält den Schmerz in erträglichen Grenzen. Wir hätten es uns nicht träumen lassen, dass wir das Wundbesteck und das Verbandmaterial so bald brauchen würden. Glücklicherweise haben wir sogar eine Gaze mit Salbe für Brandwunden dabei, sodass die Wunde nach einer Woche wunderbar verheilt ist.

Verletzter Fuß

nach Abheilung

 

 

Eine Woche in Roccella Ionica mit Wunde pflegen, unerledigte Baustellen in Ordnung bringen und zu Fuß zum Einkaufen im 3,5 km entfernten Städtchen mit Supermarkt. Obst und Gemüse superpreiswert! Neidisch schaut man da auf die Yachties, die Klappfahrräder dabei haben. Selbst die beiden Holländer mit dem 8 Meter Boot haben 2 Fahrräder dabei und wir meinen immer, dafür hätten wir keinen Platz an Bord. Wäre doch gelacht wenn wir bei 13 Meter Länge nicht ein Plätzchen für Fahrräder erübrigen können. Im Internet suchen wir nach guten günstigen Angeboten, aber die Frachtkosten aus Deutschland sind enorm. Bei di Blasi auf Sizilien werden wir fündig. Wir fragen per E-mail nach einem günstigen Angebot  und prompt die Antwort von Signor Camilla di Blasi persönlich. „Kommen Sie vorbei, ich werde ihnen ein super  Angebot machen.“

Wir bestellen noch unser Schaufelrädchen für die Windmessanlage (B & G älteres Modell) bei Simrad in Deutschland (40 € Warenwert und 40 € Frachtkosten) mit Lieferung an den Trans-Ocean Stützpunkt Signor di Dato nach Siracusa/Sizilien.